programm 2020

NOISE IS THE MASTER OF INFORMATION

Ausstellung| 04. 10. 2020 - 26. 10. 2020

Ort: Schloss Wolkersdorf, Galerie 2
Öffnungszeiten: Sa, So, Feiertag 14 - 18 Uhr

Eröffnung: 3.10.2020 um 18 Uhr (Schloss Wolkersdorf/Innenhof)

noise is the master of information ist eine Ausstellung von Sylvia Eckermann, Thomas Feuerstein, Gerald Nestler und Szely auf Einladung von FLUSS. Das Konzept von Eckermann, Feuerstein, Nestler und Szely verbindet die unterschiedlichen Praxen der vier Künstler*innen zu einem offenen Dialog, der sich der Kontingenz möglicher Resultate zuwendet, anstatt eine kuratierte Auswahl an Werken zu versammeln. Um einen Einblick in die Arbeitsweisen von Eckermann, Feuerstein, Nestler und Szely zu geben, geht das Projekt zwar von existierenden Werken der Künstler*innen aus, diese werden aber über den gesamten Ausstellungsraum hinweg miteinander verbunden und speisen so eine vielschichtige, neue gemeinsame Arbeit. Akustische, visuelle und textliche Ebenen verschränken sich, bilden immer andere Narrative und Imaginationen, die von den Besucher*innen je anders wahrgenommen werden.


Thematisch verhandelt die Ausstellung provokative Aussagen, die zwischen William S. Burroughs berühmtem Zitat „Language is a virus from outer space“ (Sprache ist ein Virus aus dem Weltall) und dem der Ausstellung den Titel gebenden Zuschreibung „noise is the master of information" (Nestler) changieren. Sprache und Macht sind bekanntlich eng miteinander verbunden. Ob sie gebietend oder programmatisch, einschüchternd oder ermunternd, eskalierend oder beruhigend, daimonisch oder automatisiert kommuniziert, sie weist als Geste auf uns, meint aber immer eine(n) bereits andere(n). Wenn wir fragen, wer spricht zu wem?, so liegt die Antwort vielleicht in der Erkenntnis, dass es sich zunehmend weniger um Formen der Repräsentation handelt, sondern vielmehr um Konstellationen, die Lebenszusammenhänge performativ (mit)gestalten. Diskurs ist nicht einfach eine Gesprächsform, er erzeugt Wirklichkeit. Wer Macht besitzen will, und somit Wirklichkeit so weit als möglich monopolisieren will, tut daher gut daran, Intransparenz und Asymmetrien zu erzeugen. In anderen Worten, es geht nicht darum, zu informieren – transparent zu handeln – sondern Diskurse mittels volatiler Verzerrungen zu manipulieren. „noise“, so verstanden, ist nicht mehr Hintergrundgeräusch, nicht Grundrauschen unsystematischer Handlungen, sondern das eigentliche Ziel der Produktion performativer Macht, die Diskurse unterwandert, indem sie Sachverhalte und sogar Wahrscheinlichkeiten der Sprachlosigkeit zuführt. Dieser „Virus“ eskaliert Sprache, zersetzt Bilder und führt die Wirklichkeit ad absurdum. Die Welt scheint in Partikularisierung zu zerschellen.

Aber ist es nicht „nur“ die menschliche Welt, wie wir sie bisher kannten, die hier in ihre wohl tiefste Krise schlittert? Denn „noise“ als (kontra)produktives Mittel verweist auf die „Hintergrundlosigkeit“ und somit Machtlosigkeit aller Eskalationsstrategien, die uns heute von allen Seiten belagern. Vielleicht liegt unsere Ohnmacht gerade darin, dass wir einer performativ agierenden Macht immer noch mit den üblichen, nun ungeeigneten repräsentativen Figuren entgegentreten. Sollten wir nicht anerkennen, dass wir selbst und unsere biologischen Körper immer schon performativ waren und agiert haben? Und unsere Umwelt „grundsätzlich“ noise ist, aus der wir – und alle anderen Lebewesen – erst jene Kommunikation erschaffen, die Sinn und Wirklichkeit erzeugen? noise is the master of information ist somit kein Abgesang auf eine untergehende Welt, sondern ganz im Gegenteil eine Einladung, in Wahrnehmungs- und Erfahrungswelten einzutauchen, die Sinn und Wirklichkeit vielleicht nicht vorgeben und vorproduzieren, uns dafür aber erlauben, Sinn und Wirklichkeit in einer Partikularitäten übersteigenden Gemeinschaftlichkeit immer neu und anders zu erzeugen.

Text: Gerald Nestler


Biografien:

Sylvia Eckermann

In den Arbeiten von Sylvia Eckermann münden langjährige Form- und Mediendiskurse in kritische Reflexionen über die Gegenwart. Ihre Installationen können als räumliche und mediale Inszenierungen von Informationen in binären und physischen Umgebungen beschrieben werden, die sowohl individuelle als auch politische und ökonomische Interessen strukturieren. Ihre Kunst sucht die Herausforderung zwischen Diskurs und ästhetischer Praxis, zwischen analog und digital, zwischen solitärer künstlerischer Arbeit und kreativen Gruppenprozessen. 2014 erhielt sie den Medienkunst-Preis der Stadt Wien für ihr künstlerisches Gesamtwerk. 2018 wurde sie für ihr Gesamtwerk mit dem österreichischen Kunstpreis für Medienkunst ausgezeichnet.

http://syl-eckermann.net/

 

Thomas Feuerstein

Thomas Feuerstein wurde 1968 in Innsbruck geboren, studierte Kunstgeschichte und Philosophie, promovierte 1995. Ab 1992 Mitherausgeber der Zeitschrift Medien. Kunst. Passagen. Forschungsaufträge des Österreichischen Wissenschaftsministeriums über Kunst im elektronischen Raum sowie Kunst und Architektur. Seit 1997 Lektor und Gastprofessor an Universitäten und Kunsthochschulen.

Thomas Feuersteins Werk verbindet Phänomene aus Philosophie, Kunstgeschichte und Literatur mit Biotechnologie, Wirtschaft und Politik zu künstlerischen Narrativen. Seine Projekte untersuchen das Zusammenspiel von Individualität und Sozialität, erforschen „molekulare Skulpturen“, formulieren eine Ästhetik der Entropie und entwickeln eine „Daimonologie“ kultureller Prozesse. Seine Kunstwerke umfassen Installationen, prozessuale Skulpturen, Zeichnungen, Hörspiele, Bio- und Netzkunst. Zu den entscheidenden Aspekten gehören das Zusammenspiel von verbalen und visuellen Elementen, das Aufdecken latenter Verbindungen zwischen Fakt und Fiktion sowie die Interaktion zwischen Kunst und Wissenschaft. Feuerstein hat dafür eine künstlerische Methodik entwickelt, die er „konzeptionelle Narration“ nennt.

www.thomasfeuerstein.net

 

Gerald Nestler

Gerald Nestler lebt als Künstler und Autor in Wien. In seiner postdiziplinären Praxis verbindet er theoretische Überlegungen und Gesprächsformen mit Video, Installation, Performance, Code, Sound und Text mit. Außerdem entwickelt und kuratiert er Ausstellungen und Diskursprogramme, die sich neue Formen der Kunst und des Gesprächs widmen. Er beschäftigt sich mit Modellen, Technologien und Narrativen von Finanzmärkten und anderen datengetriebenen Systemen und deren Rolle in der Erzeugung gesellschaftlicher Realität. Neben seiner künstlerischen und forschenden Tätigkeit ist er als Autor, Herausgeber und Lehrender tätig. 2003 erhielt das österreichische Staatsstipendium für bildende Kunst. Österreichische Auslandstipendien führten in nach Nanjing (2008), Krumau (2010), New York/ISCP (2016) und Tel Aviv/Herzliya (2020). Nestler ist Mitglied der Technopolitics Forschungsgruppe, Wien, und war Researcher bei Forensic Architecture, London. Er promovierte am Centre for Research Architecture, Goldsmiths, University of London (PhD, 2017).

www.geraldnestler.net

 

Szely

Szely arbeitet in den Bereichen (Sound-)Installation, Klangarchitektur, intermediale Kunst, Radiokunst, Komposition, Klangenvironment für Theater, Konzerte, Performances sowie mediale und akustische Interventionen im Öffentlichen Raum in Europa, USA, Asien, Russland und Kanada. Seit September 2003 betreibt er, gemeinsam mit Georg Weckwerth, das Projekt Tonspur - für einen öffentlichen Raum im Museumsquartier Wien und seit 2009 auch in den Außenstellen Berlin und Maribor. Für die Tonspur realisiert Szely die Klangarchitektur und Klangregie mit namhaften internationalen Klangkünstler*innen aus der Schweiz, Deutschland, Tschechien, USA, Island und Österreich, u.a. mit  Andres Bosshard, Alvin Curran, Christina Kubisch, Olga Neuwirth, Robin Rimbaud aka Scanner, Gerhard Rühm, David Moss, Terry Fox, Carl Michael von Hausswolff, Rolf Julius, John Oswald, Peter Weibel, Franz Graf, Gary Hill und Christian Fennesz.

Szely kooperiert für komplexe Projekte bei Festivals und Ausstellungen laufend mit anderen Künstler*innen. Langjährige künstlerische Partner*innen sind Andres Bosshard, Sylvia Eckermann,  Thomas Feuerstein, Gelatin, Christoph Hinterhuber, Gerald Nestler, Christoph Cargnelli, Susanne Schuda und Sabine Marte. Die Tonspur erhielt den Prix Ars Electroncia 2010, Honorary Mention Digital Musics & Sound Art, Szely wurde mit dem Preis der Sussmannstiftung 2002 und 2006, sowie mit dem Förderungspreis der Stadt Wien für Komposition 2004 ausgezeichnet.

www.tonspur.at