programm 2019

Bernhard Kathan

Regionalprojekte

Vortrag|Weinviertler Fotowochen | 03. 08. 2019

Ort: Schloss Wolkerdsorf, Saal

Eröffnung: 3.8.2019 um 17 Uhr

Mag Kunst im ländlichen Raum immer noch der Geruch der Verschönerung anhaften, so sind inzwischen doch zahlreiche Kunstprojekte zu nennen, die von ganz anderen Vorstellungen ausgehen. So unterschiedlich ihre Ansätze auch sein mögen, gemeinsam ist ihnen, dass es sich um Eingriffe in bestehende Sozial- und Raumgefüge handelt. Betonung des öffentlichen Raumes. Prozessorientierung versus abstellbarer Kunst. Experimente mit fraglichem Ausgang. Einladung zu aktivem Tun statt zu passivem Konsum. Gute Regionalprojekte, ganz gleich welcher Medien man sich bedient (Fotografie, Film, Sprache, Theater etc.), leben von der Erhebung, die schließlich einen Eingriff in ein soziales Gefüge zur Folge hat, wobei sich das eine vom anderen oft nur schwer trennen lässt und ineinandergreifen kann.

Sich ein Bild machen, aufgreifen, was einem beim Spazieren, bei Gesprächen auffällt. Es gilt, Bruchlinien zu begreifen und deutlich zu machen. Konflikte bilden den Dreh- und Angelpunkt solcher Projekte, wobei sie freilich nicht Selbstzweck sein dürfen. Wie auch immer, entscheidend ist, dass nicht einfach etwas implementiert wird, sondern sich aus der unmittelbaren Auseinandersetzung ergibt. Es können auch subtilste Eingriffe sein, die niemand wirklich wahrnimmt, dann aber doch Wirkung zeigen. Eine Möglichkeit unter vielen findet sich in der Arbeit mit vorgefundenen Objekten, die eine andere Lesart eines Ortes erlauben, die sichtbar machen können, was in gängigen Narrationen ausgeklammert oder übersehen wird. Das ist nicht weit von der Fotografie entfernt, da jede Aufnahme, die wir machen, das Dokumentierte aus seinem Rahmen löst und in einen anderen Kontext stellt.

Wolkersdorf, an der Schnittfläche zwischen Urbanem und Ländlichem gelegen, bietet sich als Experimentierfeld an, wobei es mitzudenken gilt, dass das Geographische als Lebens- und Erfahrungsraum allgemein an Bedeutung verliert, was auch an der Peripherie zunehmend sichtbar wird.

 

Bernhard Kathan, geb. 1953 in Fraxern, ist Kulturhistoriker, Schriftsteller und Künstler. Er lebt in Innsbruck und war Betreiber des Hidden Museums. Seine künstlerischen Projekte, die oft mit intensiven inhaltlichen Recherchen einhergehen, versteht er als Feldforschung, in der mögliche Ergebnisse zugunsten des Prozesses an Bedeutung verlieren.

Zu aktuellen Fragen betreibt er historische, anthropologische und medizinische Forschungen, deren Ergebnisse von ihm multimedial präsentiert werden. Er hat sich lange mit dem ländlichen Raum und bäuerlichen Lebenswelten beschäftigt, dabei stets ökonomische und technologische Entwicklungen mitdenkend, auch fiktiv durchspielend. Letzteres gilt etwa für einen Besamungsroboter für Rinder oder transgene Kühe, die den menschlichen Nachwuchs austragen.

Sein neuestes Buch, auch Niederschlag eines seiner Projekte: „… alles eine Fortsetzung von Dachau und Mauthausen? Die Briefe des österreichischen Publizisten Nikolaus Hovorka“ ist 2018 in der new academic press erschienen.

http://www.hiddenmuseum.net